Ein Dramatisches Schlachtfeld der Liebe gespielt von der Badischen Landesbühne
19. April 2023, 19.30 Uhr, Sinsheim, Dr.-Sieber-Halle
Die Marquise de Merteuil und ihr ehemaliger Geliebter, der Vicomte de Valmont, die Protagonisten des Briefromans „Gefährliche Liebschaften“ von Choderlos de Laclos, sind eines der abgründigsten und verruchtesten Paare der Weltliteratur. Der Roman erschien am Vorabend der Französischen Revolution und ist eine Abrechnung mit der Sittenlosigkeit des Adels. Der Skandalstoff diente Heiner Müller 1982 als Grundlage für sein Beziehungsdrama „Quartett“.
Auch vierzig Jahre später hat dieser Theatertext, der schlagartig die Bühnen der Welt eroberte, nichts von seiner Faszination verloren. Alexander Schilling inszeniert ihn nun an der Badischen Landesbühne. In Sinsheim ist „Quartett“ am Mittwoch, 19. April 2023, um 19.30 Uhr in der Dr.-Sieber-Halle zu sehen.
In einem dystopischen Zeitraum zwischen einem Salon vor der Französischen Revolution und einem Bunker nach dem Dritten Weltkrieg lässt Müller das Ex-Paar Merteuil und Valmont nochmals aufeinandertreffen. Der dekadenten Welt einer dem Untergang geweihten Aristokratie entsprungen, rühmen sich die beiden Libertins einer radikal amoralischen Vernunft.
In einer aufgeklärten und durchrationalisierten Welt ist kein Platz für romantische Gefühle – und so bleibt nur übrig, den Menschen auf seinen Körper und dessen Funktionen zu reduzieren. Im stetigen Kampf mit der Vergänglichkeit ihrer Körper, sind Merteuil und Valmont zu Maschinen geworden, die ihr vermeintlich gottgleiches Leben in einem zeitlosen Raum fristen. Sie haben nichts mehr zu verlieren, aber auch nichts mehr, wofür sie kämpfen. Und so verkehrt sich die scheinbare Utopie im Bunker ihrer Aufgeklärtheit in ein sadistisches Machtspiel.
Das körperliche Verlangen zwischen ihnen weicht zunehmend der Idee, die Liebe in der intensivsten Form, nämlich der der Fiktion, zu erleben. In einem sprachlichen Geschlechterkampf von bisweilen boulevardeskem Humor durchspielen die beiden grausame sexuelle Intrigen.
Merteuil fordert Valmont heraus, ihre jungfräuliche Nichte Volanges zu verführen, er überlegt aber, die religiöse Madame de Tourvel zu entehren. Ein Spiel im Spiel entsteht und im Verlauf des Stücks übernehmen die beiden sämtliche Rollen: Valmont spielt sich und die von ihm begehrte Tourvel, die Marquise spielt Valmont und ihre Nichte Volanges. Zwischen den Zeilen wird immer auch ihre abgründige Beziehung zueinander verhandelt. Hinter ihrer Verachtung und ihrem Hass dringt zwar ein uneingestandenes Bedürfnis nach Zärtlichkeit durch, dennoch mündet das Treiben in Vernichtung.
„Der Krieg im Außen spiegelt sich im Krieg zwischen Merteuil und Valmont wider und umgekehrt“, sagt Regisseur Alexander Schilling, der an „Quartett“ insbesondere die Geschichte über die Unmöglichkeit der Liebe in einer auf Herrschaft, Ausbeutung und Materialismus gegründeten Gesellschaft interessiert. „Merteuil und Valmont haben das rationalistische Denken der Aufklärung so sehr verinnerlicht, dass sie die Liebe als naiv ablehnen. Aber auch, um sich vor Verletzlichkeit zu schützen. Die Leere, die dadurch in ihnen entsteht, füllen sie mit ihren grausamen Machtspielen. Müllers Stück kreist somit um die Frage, wie Begehren und Liebe mit der genuin menschlichen Lust am Bösen sowie Terrorismus zusammenhängen.“
Schilling inszeniert das Kammerspiel mit Cornelia Heilmann als Merteuil und Tobias Strobel als Valmont. Katharina Andes hat dafür ein Bühnenbild entworfen, das an Bunkerbauten erinnert, wie sie beispielsweise als Teil des Westwalls an der europäischen Atlantikküste zu finden sind. Die Videoprojektionen von Marco Kreuzer arbeiten mit Stilelementen des Rokokos. Dadurch wird auch der von Müller skizzierte vorrevolutionäre Salon Teil des Raumes und bleibt dabei zugleich eine Erinnerung. An einen Anfang, von dem aus man voller Hoffnung in eine Zukunft schauen konnte, die ein Versprechen war.
Mit: Cornelia Heilmann, Tobias Strobel, Inszenierung: Alexander Schilling,
Ausstattung: Katharina Andes, Video Marco Kreuzer